Herkunft und Bedeutung eines ganz ungewöhnlichen Wortes, wat nich im Duden steht
Paselacke/Paselak – Die Hör-Vorlesung-Variante auf Ruhrpottisch – Text/Lesung: André Brune
Kannse auch ohne c schreiben: auch Paselake, wenne einen meins. Bei Paselacken ist dat wie ein Völkchen, also die Mehrzahl inne Deutschen Grammatik
Da habbich abba gestaunt. Paselacke steht nich im Duden. Dabei is dat im Ruhrgebiet schon ein Begriff, der sich besonders inne zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Pott durchgesetzt hat, obwohl et schon viel älter is inne gewissen Hinsicht.
Wat bedeutet Paselacke überhaupt?
Jeder kennt et hier im Pott. Früher hat man dat sehr abfällich gesacht zu einem, bei dem et schlimmer aussah als bei Hempels unterm Sofa. Und wenne dir den Dachboden angeguckt hass, dann denkse an die neuen Geschichten über Messis, die den Müll sammeln. So ungefähr kannse dir son Paselacken ja vorstellen.
Wenne dat Wort „Paselacken“ liest, könntes dir ja auch vorstellen, dat du mitten inne Wüste bei de Mamelucken stehs und dat is son lustiget Nachbarvölkchen, die aufe Tische tanzen und hinterher nach dem Gelage mitte Nachbarn einfach nich aufräumen, weil dat nich in ihre Wiege gelecht wurde. Abba dat würde auch nich gehen, denn die Mamelucken sind kein Völkchen, dat is ne Bezeichnung für Militärsklaven. Also genauer und damit schweif ich kurz ab: Ein Mamluck is im Mittelalter bei den Osmanen meist ein Kind christlicher Herkunft als Sklave zu eine Art Reiterkämpfer, Leibstandarte des Sultans und Soldat für die Eroberungskämpfe ausgebildet worden. Dat is ne Geschichte für sich selbs. Musse in Wikipedia nachlesen. Hier geht et um die Paselacken.
Die Paselacken sind keine ausgebildete Krieger, sondern Gesocks. Dat wiederum hat nix mit Socken zu tun. Eher mit Abschaum, mit minderbemittelten, ungepflegten und ungehobelten Menschen.
Erinnerse Dich noch an meinen Hinweis aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts?
Da gabet sonne Zeit mit Einwanderern mit anderer Sprache und auch braunerem Hautton. Und siehe da, schon is ein harmloses Wort aus dem alten preussischen Masuren und Schlesien, wat wohl durch die polnischen Einwanderer mitgebracht wurde, zu einem rassistischem Wort mutiert.
Wat ? Polnisch?
Ja sicher dat!
Ein „Paslack“ war in der preussischen und schlesischen Mundartsprache ein „bereitwilliger Diener“, ein dienstbeflissener Knecht. Also fast wie ein Mamelucke, der als Soldatenknecht seine Ämter ausübte, war ein Paslack ein bereitwilliger bäuerlicher Knecht, der für die Großbauern aufe Felder seinen Körper malträtierte für wenich Moos.
Doch der Paselack is höchstwahrscheinlich aussa polnischen Sprache von posłać, wat inne Übersetzung „senden“ heißt. Daraus hat sich der posłaniec entwickelt. Dat is ein „Bote“.
So wurde da inne polnischen großen Weite ein Bote gesendet, später is dat ein Fronarbeiter oder Hilfsdienstleister geworden und hat sich sprachlich rübergeschwappt im Pott zu einem „Herumtreiber“, also Boten ohne wat zu bringen, entwickelt. Im Bergischen Land sprach dat Volk soga von „Klatschsüchtiges Weib“. Also wie dat alles so zusammenhängen tut, kann dir ja keiner so richtich nachvollziehend erklären.
Geh zu Omma paslacken!
Als Tuwort hatten die Westfalen und im Pott paslacken benutzt für „mühsam gehen“, „laufen“ oder „durch Schmutz waten“. Da is schon ein kleiner Hinweis, dat et höchstwahrscheinlich durch polnische, schlesische bzw. preussische Worteinwanderung vom posłać stammt, wenne an folgende Situation denks: Im 19. Jahrhundert gabet keine befestigten Straßen. Die sind mitte Pferde rumgetrabt oder mit einfachen Holzschuhen. Überall Matsche, Pferdeäppel und Löcher gefüllt mit Wasser vom letzten Plästern. Da kannse die berggeschädigten Schlaglöcher vonne asphaltierten Autorennstrecken von Heute im Ruhrpott nich mit vergleichen. Dat war viel Schlimmer. Wenn jetz die Moder Dich mitn Stück selbstgebackenen Brot zu Omma geschickt hat eine Straße weiter, dann bisse paslacken gegangen. Also erstens hasse dat Stück Brot als Bote überbracht, die Moder hattet gesendet, und du bis dann auch noch durch den Schmutz gegangen, dene mühsam durchwatet has.
Wat sich dann aufgetan hat inne Spracheentwicklung is echt erschreckend, dat nun ein Paselack ause bestimmen Straße fast ein ganzes Völkchen beschreibt. Wenn dann einer sachte: „Kumma, den da, der kommt ausse Paselackensiedlung.“ Dann wusstese Bescheid. Da wollte keiner hin. Da gabet Mord und Totschlach. Ausgeraubt wurdese auf jeden Fall und dat galt dann nich nur für die Paselackenstraßen, wo die alle gewohnt haben, die anders aussahen als Blond und Blauäugich. Dat waren eben nich nur die Polaken vorm ersten Weltkrieg, sondern später auch die ause Türkei, Jugoslawien, Portugal, Spanien, Griechenland, Italien und wat weiß ich woher sonst noch. Die polnischen Zuwanderer, die haben dat Wort entweder mitgebracht oder mitte Vermengung ihres Wortbildes und den der alten Westfalen, wo dat der Paslack als Fronarbeiter aufm Feld wohl auch schon Mitte des 19. Jahrhunderts bezeichnet wurde, eine andere Bedeutung bekommen.
So is ausm Boten bzw. dem paslacken (durch Schmutz waten) ein Schimpfwort, für einen uselich aussehenden Menschen, geworden. Du kanns dir jetz dat folgende Bild zusammenreimen: Sozialschmarotzer, Hartz-IV-Empfänger, Unsaubere Straßen, Ghettohafte Siedlungen, Türkenvolk, Polen, Diebesvolk, Obdachlose bzw. Herumtreiber und familiäre Unstimmichkeiten wenne et um Geldleihen geht, z.B. sachte Omma kürzlich: „Geh mir wech mittn Udo, den Paselacken, der kommt doch nur, wenna widda Kohle brauch für sein Moped, weil der sich dat teure Benzin nich mehr leisten kann.“ Dat Wort hat sich sozusagen vom Botenjungen, der nur Stück Brot zu Omma bringt, zu einem volksverhetzenden Schimpfwort entwickelt, datte ins Gefängnis wandern kanns ohne über Los zu gehen.
Mittlerweile taucht dat Wort eher im humorvollen Bereich auf. Heute meint der ein oder andere dat eher witzich.
Wenn ich zum Kollegen fahr um Mensch ärgere dich nich zu spielen, dann sach ich imma: „Keal, dat sieht hier ja aus wie bei de Paselacken!“
Gut, der is Junggeselle, da musse nich aufräumen. Wir lachen imma und schieben die Wäsche inne einen Ecke und die Krümel vom Boden bekommen vom Pizzaservice gebrachte Diavolo Hoch Drei geschärft Gesellschaft.
Wenn auch dat Wort nich mehr im Duden steht, dann is dat, weil et nur regional mittlerweile genutzt, abba auch imma weniger gesprochen und vor allem inne Zeit rassistisch genutzt wurde.
Dat et fast verschwunden is, is eher dem Verschwinden vom Winter- und Sommerschlussverkauf zu zählen, denn da gabet dat berühmte „Paselackenflachrennen“. Die Hausfrauen mitte Kopftücher, die sich beim Öffnen der Tür sich als Erstes auf die Kleider gestürzt haben, um dat Kleid fürn paar Tacken zu kriegen oder dat paar Socken fürn Alten für zwei.
Und als aller Letztes wird der Mamluke (auch Mamelucke zu schreiben/sagen) nomma erwähnt. Die Steigerung vom Paselack is der Pasemalucke. Ich weiß zwar nich, wie Unwissenheit von zwei verschiedenen Wörters eine Verschweißung bekommen hat, denn dat is die Bezeichnung eines Menschen der untersten Schicht, also z.B. ein Obdachloser, der Herumtreiber, hat die Bezeichnung oder einer der in Abwasserkanäle rumkriecht, wie die in Indien, die der untersten Kaste angehören. Die Bezeichneten sind abba erstens keine Boten und zweitens keine Sultansoldatensklaven, sondern Menschen.
Dat Wort Paselacke is kein schönet Wort in der heutigen Zeit. Abba erinnert euch an dat schöne polnische Wort „posłać“ und schon schreibse ne Postkarte oder Email. Dann machse posłać (senden) und weiß, du hass wat Schönet geschrieben anne Liebste, wenne eine hass. Und die is bestimmt keine Paselacke und noch weniga Pasemalucke.
Glück auf und bis zum nächsten Wort !
Quelle:
Bochumer Wortschätzchen, 7. Auflage, Jahr 2000, Verlag Mayersche Buchhandlung
Peter Honnen: Wo kommt dat her?, Greven Verlag Köln
www.ruhrgebietssprache.de/lexikon/paselacken
https://de.wikipedia.org/wiki/Mamluken
Zuschriften, Kritik und Verbesserungen sind erwünscht. Sie können jederzeit ergänzt werden, falls jemand zusätzliche Informationen hat. Im Internet gab es zum Wort leider sehr sehr wenig zu finden, was ich erstaunlich fand. Falls sich jemand angegriffen fühlt: Ich habe versucht den Text so entschärft und neutral zu verfassen. Sollte sich trotzdem jemand aus welchem Milieu oder Gesellschaftsschicht oder MitbürgerInnen, egal woher, sich auf die Füße getreten fühlen, bitte ich um Nachsicht und mir das Mitzuteilen, damit ich den Text entsprechend umformulieren kann. Beleidigen will ich niemanden, nur erklären. Dies ist ja leider ein eher schwieriges Wort und kann auch schnell missverstanden werden. Also bitte nur Humorvoll verwenden, wie ich beim Junggesellen, der seine Bude nicht aufräumt…