Waddisch – dat echte Ruhrdeutsch aus Essen-Werden I Interview mit Marc Real & Peter Gabka I +Videopodcast I +Podcast I +Fotos

Spannende Sprachgeschichte erlebte ich mit Marc Real & Peter Gabka in Essen-Werden! Waddisch ist ein seltener übrig gebliebener Dialekt inmitten des Regiolekts Ruhrdeutsch. Gesprochen wurde er über ein Jahrtausend im Werdener Bereich. 

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Schon über die Ruhr hinweg gab es einen etwas anderen Dialekt des niederdeutschen Platt. Er teilte sich im Raum des Ruhrgebiets, wie die Regierungsbezirke in drei „Platt“-Bereiche: Münsterländischer Sandplatt, dem Sauerländischen und dem Rheinländischen Platt.

Schon über die Ruhr hinweg gab es einen etwas anderen Dialekt des niederdeutschen Platt. Er teilte sich im Raum des Ruhrgebiets, wie die Regierungsbezirke in drei „Platt“-Bereiche: Münsterländischer Sandplatt, dem Sauerländischen und dem Rheinländischen Platt.

In Werden hat sich aus dem Platt eine Sprachinsel erhalten, die bis nach Heisingen gesprochen wurde: Waddisch. Doch hinter Heisingen hörten sich viele Wörter und die Mundart schon wieder etwas anders an.

Der Umbau der deutschen Sprache zu einer einheitlichen hochdeutschen Sprache durch die Industrialisierung, die Einführung der deutschen Rechtschreibung, die Schulpflicht und natürlich auch die Tatsache, das sich immer weniger für die alte Heimatsprache interessierten gab den Dialekten überall kaum noch Möglichkeiten sich zu entfalten bzw. zu erhalten.

Noch bis vor 50 Jahren gab es im Ruhrgebiet zig Vereine und Gruppen, die sich dem Erhalt ihres regionalen Dialekts zusammen getan haben. Jedoch ist das Interesse beim jüngeren Publikum, wie bei vielen traditionellen Vereinen kaum vorhanden, so dass auch dort ein Aussterben begann.

Das Waddisch hat sich bis jetzt als einer der wenigen erhalten können. Es sind sogar einige neuere Interessenten dazu gekommen, so dass 20 Mitglieder und Mitgliederinnen mittlerweile sich gegen das Aussterben der über Jahrhunderte gesprochenen Sprache aus dem Niederdeutschen Platt in Werden stemmen.

Waddisch ist im Ruhrgebiet wie eine Sprachinsel. Natürlich gibt es noch einige Vereine, wie in Datteln oder Mülheim, auch in Bottrop-Kirchhellen, die ebenso versuchen, das Aussterben des dortigen Ur-Dialekts zu verhindern. Aber oft sind sie überaltert und haben keinen Nachwuchs.

Ein Gedicht auf Waddisch aus dem Essener Anzeiger Zeitung von 1937

Es ist leider eine Frage der Zeit, wann auch sie verschwinden im Sprachgebrauch und nur noch Digital erhalten sein werden. Waddisch jedoch wird zumnindest noch länger überdauern. Denn mit dem 26 jährigen Marc Real, haben sie eine realistische Chance, langfristig Waddisch erhalten zu können.

In den „Werdener Nachrichten“, einer regionalen Zeitung, die immer noch wöchentlich erscheint, ist Waddisch und die Geschichte von Werden generell immer ein Thema seit der Gründung und wird weiterhin bestand haben. Marc Real schreibt in Waddisch und ist freiberuflich für die Zeitung unterwegs neben seinem Studium. Die Zeitung ist ein mittlerweile von der Funke Medien Gruppe übernommenes Anzeigenblatt kann immer noch erscheinen. Für den humanen Preis von nur 4,99 € im Monat erfährt man nicht nur aktuelle Nachrichten aus Werden, sondern auch reichhaltige Geschichte und immer ein in Waddisch geschriebener Artikel, ein Gedicht oder eine Geschichte.

Am 13.10.1927 habe sich die Gleichgesinnten zusammengesetzt und haben der Welt mitgeteilt, dass sie das Aussterben des Waddischen verhindern wollen. Bis heute und auch für die nahe Zukunft ist das vorerst gesichert worden.

Viele Vereine oder historische Gesellschaften, die sich mit der alten Geschichte befassen, haben keinen Nachwuchs. Sie sind in der jetzigen Zeit dabei sich „abzuwickeln“. Bisherige Förderer sterben. Nachfolger oder Nachfolgerinnen werden nicht mehr gefunden. Auch die Prioritäten haben sich verändert. Alte Sprachdialekte werden mittlerweile digital aufgezeichnet, um für die Nachwelt zu erhalten, aber sterben im Sprachgebrauch nach und nach. Das Internet, die Abkürzungen mit Emojis, auch die Verenglischung so mancher Wörter und der oberflächlichere Sprachgebrauch können so manchen Dialekt zum Sterben bringen ohne den mangelnden Nachwuchs zur Pflege der Dialekte einzurechnen, der in vielen Bereichen und Vereinen fehlt.

Einblick in Marc Reals Buch Brambulle on Imseike - eine Waddisch - Fibel

Marc Real ist noch keine 30. Er ist eine Ausnahme. Er studiert Sprachwissenschaft und Geschichte und ist begeisterter Anhänger der plattdeutschen Sprache, die da war, bevor die Industrialisierung begann. Einige Wörter, die im Ruhrdeutschen Regiolekt uns bekannt sind, stammen aus dem Platt. Viele jedoch sind eben kaum noch bekannt oder werden so nicht mehr gesprochen, auch nicht in Ruhrdeutsch. Das liegt auch z.T. daran, dass durch „Migranten“ aus allen Teilen des Deutschen Reichs, und auch den damals polnischen und österreichischen Gebieten vor dem ersten Weltkrieg gekommen sind, um Arbeit zu finden und auch ihre Sprache hier einfloss.

Peter Gabka ist nicht nur ein langjähriger Unterstützer des Waddischen, obwohl er aus der Lüneburger Heide stammt. Er war lange Jahre Präsident des Werdener Karnevalvereins. Waddisch und Karneval gehören in Werden zusammen, wie eineiige Zwillinge.

Peter hat die ein oder andere augenöffnende Anekdote vom Ende und Neuanfang des Werdener Karneval auf Lager und liest uns zwei Texte mit Niederdeutschem Platt vor. Der eine ist zum Teil mit Waddischen Wörtern gespickt und das „Tischgebet“ vom Niederrhein.

v.l.: Peter Gabka, André Brune, Marc Real (c) André Brune

Die Sprache ist spannend und müsste mehr als einen kleinen Rahmen bekommen. Wenn sie ausstirbt, stirbt die wahre Geschichte des ursprünglichen Ruhrgebiets, die vor der Industrialisierung war und immer Bestand hatte bis in die jetzige Neuzeit. Waddisch sprachen hier die Äbte, die Mönche im Kloster, die jeden Tag die eingehenden Gelder verwalteten, die zum Bistum Köln gingen, denen das halbe westliche Ruhrgebiet, z.T. gebietstechnisch gehörte und natürlich die unzähligen Tuchmacher.

Mit Marc werde ich auf jeden Fall für das ein oder andere in Kontakt bleiben. Über Werden möchte ich auf jeden Fall mehr erfahren. Die ehemalige selbstständige Stadt und heutiger Essener Stadtteil war eine Tuchmacherstadt. Sie lebte nicht vom Bergbau und hat den Krieg fast unbeschadet überstanden. Erst die Stadtsanierung in den 1960er Jahren führte zu Abriss von vielen historisch wichtigen Häusern. Das ist ebenso auf meiner Agenda für den Bereich Essen. Da wird mir Peter Gabka, Marc Real und auch Thomas Schwarzkopf, der in einem Instagramaccount Fotos über Werden von Gestern und Heute zeigt, mit Sicherheit eine Unterstützung geben.

Das Tor nach Werden mit den Türmen der St. Ludgerus-Basilika (c) André Brune

Die Altstadt und der Flair an der Ruhr, trotz der stark befahrenen Bundesstraße, die quer durch die Ortschaft in den 1960er Jahren geprügelt wurde, ist definitiv ein Besuch wert. Wichtig ist auch der Besuch des Werdener Doms mit der Grabstätte des Gründers Liudgeri. 

Der Bistum Essen – Wanderweg führt logischerweise hier an drei markanten Kirchen vorbei. Doch nicht die Abtei in Werden ist der wichtigste Kirchbau, sondern die unscheinbare romanische St. Lucius-Kirche. Sie gehört zu der ältesten geweihten Kirche nördlich der Alpen. Erbaut ab 995 n.Chr. und von Erzbischof Anno II. von Köln 1063 geweiht. Also zu Entdecken gibt es hier viele Dinge!

Tipp für ein besonderes Kennenlernen:

Die „Feier der Heimatsprache“ ist am 12. Oktober ab 13 Uhr.

Waddisch und wir feiern die Heimatsprache | Facebook

Werden hat also neben der Sprache eine reichhaltige Geschichte, die man kennenlernen muss!

Wer das Waddisch näher kennenlernen möchte:

 www.waddisch.de

Instagram: Waddisch Platt (@waddisch.de)

Facebook: Facebook.com/waddisch.de

Youtube:  @waddischplatt7642 

Jeden 2. & 4. Sonntag von 14 – 16.30 Uhr im Monat ab dem 27. Oktober trifft sich der Verein:

Zentrum 60plus Heckstraße 27 in Essen-Werden

Mobil: 01786861026

Email: real@waddisch.de

www.waddisch.de

Ein drei Jahre altes Video zeigt Marc, wie er an der Ruhr in Waddisch erzählt:

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Ein britischer Youtube-Kanal hat was über Waddisch rausgebracht, allerdings als Ost-Bergischen – Dialekt bezeichnet:

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Büchertipps

Real, Marc & Dirk Uhlenbrock. 2024. Bramballe on Imseike. Fibel op Waddisch (Wadden Kladden 6). Essen: Erste Liga. ISBN ./. (Buch erscheint bald)

Schütte, Heinz. 2002. Waddisch Platt. Essen: Eigenverlag. ISBN 3000103392

Einziges Wörterbuch über Waddisch Platt von Heinz Schulte

Butenberg, Franz Ludger. 1913/1994. Waddische Quatereien. Eine Lese ergötzlicher wahrhaftiger Geschichten in Werdener Platt. Essen: Schmitz. ISBN 3980219879

Döres (August Hahn) : Blömkes ut minen Gaden

Göbels, Hubert. 1991. Die kleine Hex op Waddisch Platt. Essen: Schmitz. ISBN 3980219844

Göbels, Hubert. 1989. Max on Moritz. Essen: Schmitz. ISBN 398021981X („)

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DIALEKT in Deiner Region

Wer sich für die eigene Ursprungssprache in seiner Region interessiert, dem empfehle ich folgende Ansprechpartner, die ich dankenswerterweise von Marc mitgeteilt bekommen habe und für Interessierte hier veröffentliche:

Für Werden gibt es noch den Heimatverein:

https://www.heimatverein-werden.de/b/kommomend-waddisch-platt-freunde

Hamminkeln (Kreis Wesel)

Dingden: Heimatverien Dingden https://heimatvereindingden.de/

Rheinberg (Kreis Wesel)

Rhinberkse Sprookverein Ohmen Hendrek: https://ohmen-hendrek.de/

Dinslaken (Kreis Wesel)

Interessengemeinschaft Altstadt Dinslaken http://www.altstadt-dinslaken.de/

Verein für Heimatpflege Land Dinslaken https://land-dinslaken.de/

Hünxe (Kreis Wesel)

Heimat- und Verkehrsverein Hünxe https://www.heimatverein-huenxe.de/

Haltern am See (Kreis Recklinghausen)

Plattdeutsche Bühne https://plattdeutschebuehnehaltern.jimdofree.com/

Marl (Kreis Recklinghausen)

Heimatverein Marl https://www.heimatverein-marl.de/

Datteln (Kreis Recklinghausen)
Plattdeutscher Sprach- und Heimatverein Datteln https://www.heimatverein-datteln.de/

Recklinghausen

Plattdeutsche Bühne http://www.plattdeutsche-buehne-re-ev.de/

Werne (Kreis Unna)

Heimatverein Werne https://www.heimatverein-werne.de/

Kolpingsfamilie Werne https://vor-ort.kolping.de/kolpingsfamilie-werne-an-der-lippe/

Hamm

Heessen: Heimatverein Heessen https://www.heimatverein-heessen.de/

Holzwickede (Kreis Unna)
Plattdeutscher Club Dorpdisch „Fi kürt Platt“ https://www.holzwickede.de/verzeichnis/mandat.php?mandat=152196&kategorie=99&browser=1

Bottrop

Fuhlenbrock: Plattdütsche ut Waold un Hei http://www.plattdütsche.de/

Kirchhellen: Verein für Orts- und Heimatkunde https://www.heimatverein-kirchhellen.de/

Mülheim an der Ruhr

Geschichtsverein Mülheim an der Ruhr https://www.geschichtsverein-muelheim.ruhr/

Altstadt: Bürgergesellschaft Mausefalle https://mausefalle.jimdosite.com/

Saarn: Stammtisch Aul Ssaan https://www.aulssaan.de/

Bochum

Stiepel: Stiepeler Verein für Heimatforschung https://www.hvb-stiepel.de/

Dortmund

Berghofen: Heimatverein Berghofen https://www.heimatverein-berghofen.de/

Hombruch: Hombrucher Sprach- und Heimatfreunde https://vexilli.net/w/Hombrucher_Sprach-_und_Heimatfreunde

Gevelsberg (Ennepe-Ruhr-Kreis)

Heimatverein Gevelsberg https://heimatverein-gevelsberg.de/

Hattingen (Ennepe-Ruhr-Kreis)
Heimatverein Hattingen/Ruhr https://buegeleisenhaushattingen.wordpress.com/

 

Sprockhövel (Ennepe-Ruhr-Kreis)

Heimat- und Geschichtsverein Sprockhövel https://www.hgv-sprockhoevel.de/

Übern Tellerrand vom Ruhrgebiet geguckt: 

Velbert (Kreis Mettmann)
Offers-Kompeneï https://www.velberter-platt.de/

Viel Spaß beim echten Dialektsprechen!

Glück auf und Adjüs!