Was verbirgt sich hinter den einfachen vier Wänden in den Siedlungshäusern im Ruhrgebiet?
Welche kaum wahrnehmbare Persönlichkeiten können da entdeckt werden?
Versteckte Talente aus dem Ruhrgebiet, egal in welcher Sache zu zeigen, das ist für mich als Ruhrpottologe wichtig. Menschen, die keine große Lobby haben gehen im „Mainstream“ von heute unter.
Short-Teaser:
Ich will sie zeigen, wenn ich sie finde und sie bereit sind über sich zu plaudern. Durch einen Kunden von mir bin ich auf so eine Person aufmerksam gemacht worden.
Der gelernte Schlosser und heutige Rentner Arnold Polakewitz öffnete mir sein Wohnzimmer und erzählte mir seinen Weg vom Minensuchboot bis zum Hobby-Schiffsmodellbauer und -Maler in einem kleinen Video:
Der heute 68jährige Arnold Polakewitz, dessen Vorfahr der berühmte polnische Schriftsteller Adam Mickiewicz war, baut nicht mit den teuren Fertigbausätzen aus einem Bastelladen.
„Das kann ja jeder“, sagte er. Die naturgetreue Santa Maria von Kolumbus steht auf einem Regal. Die Segel sind aus alten Bettlaken. Eine russische Galiot niederländischer Bauart, die um 1820 entstand, hat Segel aus einer Lederjacke. Die Vorbilder sind aus seinen Marinebüchern, die im schicken Eichenschrank hinter Glas schlummern und ihn inspirieren.
Die Modelle sind Recyclingschiffe. Fast alle Teile sind nach Maß gesägt, gedrechselt, gefeilt, gebogen, gehämmert aus alten Holzresten, Küchenbrettern, Feuerwerksholzresten, Spurlatten von unter Tage, Dipphölzer von einem Schnellimbiss, Stoff- und Lederreste für die Segel zusammengesetzt.
Einige Jahre dauert es bis er ein Schiff zusammengebaut hat. Die unglaublich filigrane Arbeit fordern seine Finger und Augen. Manchmal kann man bestimmte Teile nur zwei Stunden lang bearbeiten, was schon sehr anstrengend ist. Andere Male ist er acht Stunden dabei. An dem größten Schiff hat er insgesamt 10 Jahre gebaut.
Der Wert des Schiffes wäre drei Mal so hoch, wie ein Fertigbausatz, der selbst schon viel Geld kostet, dann zusammengesetzt wird, um es dann zu verkaufen. Es dauert und ist nicht so einfach ein Element so zu feilen, dass es exakt richtig aussieht und passt. Laien haben keine Vorstellung, was es heißt täglich am Basteltisch zusammengesunken hoch konzentriert zu sitzen, um aus etwas Unförmiges nach Maß gestaltendes Teil für ein Schiff zu bauen.
Auch die Buddelschiffe werden bei ihm von alten Holzresten zusammengeschustert. Ein U-Boot ist gerade in Arbeit. Alte Latten, die sonst in den Müll gewandert werden, recycelt Arnold für ein U-Boot-Modell. Die Kanone stammt aus einem Schaschlikstäbchen. Die Bastelarbeit hat sein Vater ihm beigebracht. Zwischen den Arbeitsgängen braucht er auch manchmal einige Tage, um die Gelenke der Hand auszuruhen.
Die Buddelschiffe werden nach einer von einem Kapitän beigebrachten Geheimmethode dreiteilig in den engen Flaschenhals geschoben. Teurer Schund erkennt Arnold sofort in den üblichen Souvenierläden.
Arnold mit dem witzigen Polakennamen (Polakewitz) ist begeistert von der Schifffahrt. Mit seinem trockenen Humor und der tiefen sonoren Stimme erzählt er, dass er für die Bundeswehr auf einem Minensuchboot 1976 unterwegs war. Er hat sogar ein Bundesverdienstkreuz von Helmut Schmidt persönlich überreicht ausgeschlagen, weil er ein Schiff und seine Mannschaft gerettet hat als es in Brand geriet durch einen Motorschaden, den er zufällig entdeckte, als er eine Rauchen ging.
Schmidt wäre sein politischer Mentor geworden, wenn er in die SPD eingetreten worden wäre. Aber als Zwanzigjähriger interessierte er sich nicht für Politik. Er stellte sich nicht gern in den Vordergrund und war immer begeistert von der Schifffahrt. Er wurde Schlosser, was ihm auch beim Basteln mit der Maßarbeit mit Säge und Feile bei Holzarbeiten half.
2009 hatte er seine Marinebilder in der ehemaligen Stadtteilbücherei Bottrop-Boy ausgestellt. Viele Bilder sind bei Verwandten und Bekannten gelandet. Einmal ging er mit seinen Landschaftsbildern zu einem Galeristen. Der war begeistert von seiner Malart. Die Mischung aus Emil Nolde und Vincent van Gogh wäre in den Verkauf gegangen, wenn er denn ein Kunststudium nachgewiesen hätte, teilte ihm der Galerist mit und bekam nur ein müdes Lächeln.
Wenn sich andere an seinen Bildern erfreuen, ist es für Arnold Polakewitz Anerkennung genug. Mit fünf Jahren hat er angefangen Bilder exakt nachzumalen. Als er in die 4. Klasse ging, entdeckte eine Lehrerin sein Talent. So hat er bei einem Malwettbewerb in Gelsenkirchen mit seinem Motiv von einer Förderturmlandschaft ein Fahrrad gewonnen. Sein Bild ist ins Bergbaumuseum Bochum gewandert. Wer weiß, vielleicht schlummert es dort noch im Archiv irgendwo.
Die Malmotive sind Landschaften oder Schiffe, die auch vielen noch bekannt sein dürften. Die letzten Segelschiffe unter deutscher Flagge, wie die Pamir, Passat oder Posen, die auf den Weltmeeren noch ohne GPS und ohne Dieselmotoren unterwegs waren, hängen an seiner Wohnzimmerwand.
Ein Bild zeigt eine Mühle und eine wunderschöne grüne Landschaft drumherum. Er malte die Mühle von Gelsenkirchen – Hüllen. Seine Frau wollte immer ein Bild mit einer Mühle haben. Unbewusst hatte er die Mühle seiner Heimat gemalt, wo er als Gelsenkirchener Blag rumgetrollt hatte. Ganz nah waren noch Bombentrichter. Heute wohnt er in Bottrop-Boy in einer einfachen Siedlung. Seine Heimat ist das Ruhrgebiet, seine Sehnsucht das Meer.
Möge Arnold noch viele Schiffe bauen und Bilder malen. Meine Anerkennung und die vieler seiner Bekannten hat er. Hier im Blog hat er nun auf jeden Fall einen Ehrenplatz als POTTmensch für sein TUN.
Glück auf!
FOTO-BILD-GALERIE (alle Bilder sind von Arnold Polakewitz/Fotografiert von André Brune)