Schneefahrerei ist das Foto der Woche. Sie fing mit Schneefall an und wird wahrscheinlich mit Regen enden.
Seit Jahrzehnten liegt Schnee nie länger als zwei Wochen im Ruhrpott.
Schnee ist im Ruhrgebiet eine Seltenheit geworden. Die Klimaveränderung ist hier sehr stark zu sehen. Ältere Menschen erzählen, wie hart die früheren Winter waren. Pferde trugen Jutesäcke um ihre Hufen, damit sie es warm hatten, um über die verschneiten und kalten Flächen heil ans Ziel zu kommen.
Kinder hatten ganze Straßen für sich, da kaum Autos fuhren. Sie glitten mit ihren Schlitten und machten Schneeballschlachten auf den leeren Straßen. Heute sind die Kinder alt und trauen sich nicht auf die matschigen vereisten Straßen, die vollbeparkt sind und jede Menge Schlaglöcher haben, wo man im Schnee versinken kann. Bücken für einen Schneeball ist wegen Bandscheibenvorfall meist auch nicht mehr drin. Mit diesen Menschen über die tollen Schneezeiten von früher zu sprechen, wird immer seltener.
Deshalb begegne ich dem Schnee, der hier selten fällt, sehr positiv und freue mich über jede Flocke, die für wenige Stunden liegen bleibt. Weil es vielleicht bald keinen mehr geben wird.
Die Aufnahme ist neben weiteren innerhalb einer Minute entstanden und durch meine Autofrontscheibe fotografiert worden. Es gehört mit dem wegfließenden Tropfen einer ehemaligen dicken Flocke zur Fotoreihe „Regenscheibe“. Sie ist mir in den Regentagen der letzten Woche eingefallen und wird hier im Blog nach und nach zu entdecken sein mit Geschichten zu den Orten der Aufnahme.
Der Titel „Schneefahrerei“ und das Foto mit den wegfahrenden oder auch stehengebliebenen Autos habe ich mit leichter Ironie gewählt. Denn im Ruhrgebiet ist es so:
Entweder du steigst ins Auto und musst da durch, was du nicht kannst. Fährst übervorsichtig, hältst den Verkehr auf oder fährst mit dem tiefergelegten Karren mit fetten Winterreifen zu schnell und landest im Graben. Beides hat damit zu tun, dass im Ruhrgebiet nur Bergehalden sind und Schnee seltener liegt als im Sauerland, wo die Menschen mit Schnee klar kommen, wenn er fällt. Hier wird er auch durch den Autoverkehr schnell grau bis schwarz. Unschön und matschig. Wenige erfreuen sich, sondern trauen sich nicht mal raus. Dabei ist die Winterluft so herrlich und der dumpfe bis stille Ton von verschluckenden Geräuschen im Schnee ist meditativ.
Fotografiert habe ich es auf der Spechtstraße von der Oberhausener Seite aus. Diese Straße hat eine Besonderheit im Ruhrgebiet. Dort kommt zwei Mal die Müllabfuhr in einer Woche, jedoch einmal für die Oberhausener und dann kommt die Bottroper für deren Seite. Sie teilt sich auf in den Regierungsbezirk Düsseldorf auf Seiten Oberhausens und dem Regierungsbezirk Münster auf Seiten Bottrop.
Ich war für 1 Stunde in einem Haus. Als ich zurück kam, war der Schnee schon verschwunden.
Hier ist er festgehalten in einem besonderen Moment der Schneefahrerei, die ich zu dem Zeitpunkt auch hinter mich bringen musste.
Ort: Spechtstraße, Oberhausen/Bottrop
Kamera: #samsung23ultra
© André Brune