Das Foto „Schachtregen 10“ hat eine vielseitige Bedeutung.
Noch einmal hab ich es, wenn auch zum zweiten Mal, in meine Fotoreihe „Regenscheibe“ aufgenommen.
Diesmal ist es auch ein ganz besonderes Foto, denn in dem heftigen Regen, den ich am 11.3.24 den ganzen Tag erleben konnte war der blaue Schirm das besondere vordergründige Motiv. Der Regen bescherte mir wunderbare weitere Fotos zwischen Gladbeck, Gelsenkirchen-Scholven und Bottrop und Kirchhellen. Doch der einsame Fußgänger mit dem hellblauen Schirm auf der von Bergsenkung geschädigten Landstraße zwischen Schacht und Kirchhellen war genau das richtige Motiv für das Gesamtbild. Das Fördergerüst ist nur im Hintergrund zu sehen. Und bald vielleicht gar nicht mehr.
Der Schirm zeigt farblich das Regenwasser, was auf der Straße eher Grau ist. Die Straße glänzt, wie frisch gewaschen. Im Sommer ist sie eher verstaubt durch die nahegelegenen Landwirtschaftsbetriebe.
Der Regen wirkt depressiv, der Himmel grau. Er zeigt die negativen Abbilder des Ruhrgebiets. Den langsamen Strukturwandel, die Baufälligkeit, die ebenso langsam voran geht, wegen Geldmangel. Die altersmüde Straße wird jedoch von ukrainischen Flüchtlingen benutzt, die zur Zeit in den ehemaligen Bürogebäuden untergekommen sind. So haben die Räumlichkeiten in Zeiten von Krieg in Europa wenigstens einen guten Zweck, bevor sie irgendwann den Erdboden gleichgemacht werden.
Aber da war noch ein kühner Plan für das Gelände. Es sollte ein Seilscheibenpark entstehen. Alle Seilscheiben der bald abgerissenen Fördertürme und -gerüste sollten dort in einer schönen Parklandschaft museal ausgestellt werden. Ob das Projekt jemals Wirklichkeit wird, steht mittlerweile leider auch in den Sternen.
Definitiv ist diese Idee im Moment im Regen stehend. Auch das versinnbildlicht das Bild, genauso wie den eventuellen Flüchtling, der durch den Regen geht, einsam, so wie die Ukraine im Moment im Regen steht gegen einen übergroßen Gegner. Der Spaziergänger geht zu dem hohen Turm. Genau wie David zu Goliath geht.
Ganz viele Gedanken können in ein einziges Foto einfließen. Das sind meine Gedanken. Doch jeder Betrachter und jede Betrachterin sehen es vielleicht anders. Das ist die Kunst, das ist der Gedanke des in diesem Moment gemachte Foto.
Schachtregen 10 – die Zahl steht für den Schacht vor Ort.
Die Zechen sind geschlossen. Sie regnen nun auf den Boden. Nur sehr wenige werden das Ruhrgebiet noch säumen und Zeitzeuge der Geschichte des Aufbaus des Ruhrgebiets sein, das erst durch den Bergbau seine heutige Größe erreicht hat mit all ihren schlechten Auswirkungen, die wir sehen, wie z.B. durch Bergsenkungen, so wie auch diese Straße wahrscheinlich brüchig wurde.
Grubenwasserpumpen müssen immer in Betrieb sein. Horrende Nachfolgekosten, an die scheinbar niemand gedacht hat, als es immer tiefer ging. Dennoch ist genau das, was wir sind: Ruhrpott mit allen Zugezogenen aus den verschiedenen Ländern, gewundenen Straßen mit schmucken Häusern, die es so nur in Bergbaugebieten zu finden sind und Menschen, die sagen, was sie denken.
Schacht 10 von Prosper Haniel verfolgt mich seit ich die Ruhrkohle AG 1995 als frisch gebackener Ver- und Entsorger Fachrichtung Abfalltechnik verlassen habe.
Heute habe ich in unmittelbarer Nachbarschaft einmal im Monat etwas beruflich zu tun und sehe somit das moderne Fördergerüst jedes Mal in einem anderen Licht, mit Blattgrün oder Maispflanzen umgarnt oder in Regen stehend. Wie lange es dort noch stehen wird, weiß keiner so genau.
Glück auf!