Many Szejstecki, Erschaffer von einer besonderen Bergbaupanorama-Kunst, war ein über die Grenzen der Stadt Gelsenkirchen hinaus bekannter Künstler und Bergmann, der 2016 verstarb. 2024 bekam er von der Stadt Gelsenkirchen, wie ich sie nenne, einen Ehrenstein.
Vor Ort sprach ich mit seinen Sohn Roland und Kunsthistoriker Lukas Schepers, die seinen Nachlass verwalten, über deren Gefühle bei diesem Anlass, der noch nie stattgefundenen Ehrung. Innerhalb einer Stadt des Ruhrgebiets ist diese Aktion für ihre über die Stadtgrenze hinaus bekannten Bürger und Bürgerinnen etwas einmalig Besonderes.
Dort schlug ich beiden auch vor, Many Szejstecki einen kompletten Podcast zu widmen mit ihnen als Gesprächspartner. Seine unnachahmlichen Bergbaupanoramawerke hängen in wichtigen Museen innerhalb des Ruhrgebiets und lassen Betrachter und Betrachterinnen erstaunen, wie er über und unter Tage in verschiedenen Perspektiven in seinen Werken inszenierte.
Der Videopodcast mit einigem Bonus-Bildmaterial und dem Hinweis von Roland Szejstecki zu einer besonderen Projektidee im Anhang:
Der Podcast zum Hören:
Erst bei der Extraschicht 2023 stolperte ich über die faszinierenden Werke von Many. Ich habe mir damals den beeindruckenden Film der 3D-Künstler aus Dortmund mehrmals angesehen. Der Verein dersalon.ruhr.e.V. unterstützte das 3D-Projekt more.many maßgeblich. Roland hat mich damals beim herausgehen erkannt. Er folgte mir seit längerem auf Instagram. Wir gingen nochmal in die Extraschicht-Ausstellung, wo er mir das Panorama-Bild der Zeche Westerholt kurz erklärte. Zufällig entdeckte er mit mir noch ein ihm unbekanntes Bild seines Vaters an der Wand. Anschließend arrangierte er ein Interview mit den 3D-Künstlern „Tremoniacs“. Wir blieben seitdem in Kontakt.
Warum ist der Künstler Many Szejstecki für das Ruhrgebiet so wichtig?
Many Szejstecki war nicht nur Künstler, sondern von Beruf Bergmann. Ohne seine Ausbildung zum Bergmann wäre er nicht der Künstler geworden, der er wurde.
1931 wurde er in Breslau geboren. Mit 15 kam er nach dem zweiten Weltkrieg nach Dortmund und fing als Bergmann auf Minister Stein für ein Kilo Schweinefleisch an. Mit 24 wurde er schon Reviersteiger und hatte 200 Bergleute unter sich. Nach 40 Jahren ging er in Pension und war stolz niemanden auf Schicht durch Unfälle verloren zu haben. Das ist äußerst selten in einer Zeit, wo der Arbeitsschutz noch nicht so hoch war, wie es heute der Fall ist bzw. in Deutschland im Steinkohlebergbau zuletzt bis 2018 war.
Mitte der 1950er Jahre begann er zu zeichnen. 1976 gründete er mit befreundeten Künstlern die „Werkstatt“ in Buer um Kunst zu machen und gleichzeitig zu präsentieren. Mit seiner Leidenschaft als Autodidakt Kunstwerke zu erstellen, befreite er sich vom täglichen harten Job unter Tage. In seinem privaten Atelier, nur 100 Meter von seiner Arbeitsstelle Zeche Westerholt entfernt, werkelte er oft genug bis tief in der Nacht an seinen Bildern.
Als Reviersteiger waren auch Markscheidepläne wichtige Dokumente, die für die Arbeit Unter Tage wichtig waren. Ab Anfang der 1980er Jahre wurden genau diese Pläne in Manys Kunst mit einbezogen und die ersten Bergbaupanoramen entstanden.
In diesen Bergbaupanoramabildern befreite er die Schichten unter uns von Gestein und ermöglichte den Betrachtern einen ganz anderen Blick auf die Ruhrgebietslandschaft. Nie zuvor hatte jemand so weit gedacht. Seine Werke waren keine Phantasie, sondern bis ins letzte Detail berechnet. 2024 legte die Stadt Gelsenkirchen Many Szejstecki einen Ehrenstein auf den Walk of Fame.
Many hat unglaubliche technische Bilder zur Veranschaulichung von Schachtanlagen, dem Gestein und die Ruhrgebietsstäde darüber mathematisch und filigran heraus gestaltet, wie niemand anderer sonst vor oder nach ihm.
Seine Kunst ist nicht nur für Kunstinteressierte sehenswert. Sie sind ein Geniestreich und Hingucker für Architekten, Geologen, Ingenieure, Bergleute, Touristen und Laien, die sich für das Ruhrgebiet interessieren, um bildlich zu sehen, was sich unter der Erde befindet und wie es aufgebaut ist und das ganz ohne KI oder anderen modernen Schnickschnack-Hilfsmitteln.
Das Ziel der Nachlassverwalter Roland Szejstecki und Lukas Schepers ist eine Dauerausstellung in die Zeche Westerholt zu bringen, wo Many Szejstecki, wie erwähnt bis zur Pension als Bergmann und Reviersteiger gearbeitet hat. Diese Idee und dieses Ziel wird mit Sicherheit weltweites Interesse erzeugen und Tourismus vor Ort bringen. Deswegen ist gerade Many Szejstecki für mich ein wichtiger Ruhrgebietsmensch, den ich hier im Blog bringen wollte und den ich leider persönlich nie kennenlernen konnte. Umso wichtiger ist es im nun nach dem Tod gebührend im Ruhrgebiet zu feiern für sein Wirken über die Jahrzehnte in unserem Revier.
Die „Werkstatt“
Für die Aufnahmen des Podcast haben wir drei uns in der „Werkstatt“ auf der Hagenstraße 34 in Gelsenkirchen-Buer getroffen. Seit 1980 ist die „Werkstatt“ zu einer wichtigen und bekannten Kultureinrichtung in Buer geworden. Der ursprüngliche Platz musste einem Supermarkt weichen, den es heute nicht mehr gibt.
Mittlerweile ist die „Werkstatt“ ein Verein geworden, der über das Jahr neben den wechselnden Ausstellungen, auch Musik- und Theateraufführungen inszeniert.
In der „Werkstatt“, wo unsere Videopodcastaufnahme im Juli stattfand, gab es zu diesem Zeitpunkt eine Ausstellung von Harald Lange. Der Verein macht im Jahr fünf bis sechs Ausstellungen.
Einmal im Jahr gibt es ununterbrochen seit 1977 immer einen „Werkstatt-Kalender“. Ein wichtiger Bestandteil um die Werkstatt zu finanzieren.
Die Bilder sind auf hochwertigem Büttenpapier gedruckt. Sie können einzeln herausgenommen werden und eingerahmt an der Wand aufgehängt werden. Das Many so populär geworden ist, hilft auch der Werkstatt mit ihren heutigen Künstler und Künstlerinnen.
Nachlassverwaltung Many Szejstecki
Many Szejsteckis Sohn Roland und der Kunsthistoriker Lukas Schepers verwalten den Nachlass. Zufällig traf Lukas Schepers 2020 auf Manys Werke als er seine Tante besuchte. Die Panoramen mit den filigranen Linien faszinierten ihn so, dass er mehr erfahren wollte über Manys Kunst. Ein Wikipedia – Eintrag machte ihn neugierig. Doch es gab keine vernünftigen Informationen über Many Szejstecki.
Er kontaktierte über die Werkstatt Roland. Sie waren sofort auf einer Wellenlänge und steckten fortan das Ziel Manys Kunst wieder in der Öffentlichkeit bekannter zu machen. Lukas erste Auseinandersetzung mit Many Szejstecki war ein ausführlicher Wikipedia-Eintrag. (Manfred Szejstecki – Wikipedia)
Lukas schrieb in seinem Studium eine wissenschaftliche Hausarbeit über Many Szejstecki. Er überarbeitete und ergänzte den ursprünglichen Wikipediaeintrag mit seinen neuesten Erkenntnissen.
Einige Panoramen hängen in renommierten Museen im Ruhrgebiet. Im Gladbecker Heimatmuseum auf Schloss Wittringen, im Bergbaumuseum Bochum und Ruhrmuseum Essen können die Werke bewundert werden. Außerdem entstanden Radierungen, Netzzeichnungen, Spiegelobjekte und vieles mehr. Genügend Kunst um über den Arbeiterkünstler Many Szejstecki eine Dauerausstellung einzurichten. Dieses Ziel verfolgen Schepers und Szejstecki intensiv. Auch Manys Witwe Brigitte würde sich darüber mit ihren 90. Jahren sehr freuen.
Lukas Schepers traf bei seinen Recherchen auf einen Berliner Architekten, der sein Bild für eine Dauerausstellung gern zur Verfügung stellen würde. Allerdings müsste es leider vorher erst restauriert werden, da es Transportschäden bekam.
Die breiten Panoramabilder drücken nicht nur einfach ein Landschaftsbild ab, sondern verbindet die Oberfläche mit der untertägigen Landschaft mit viel Phantasie, so doziert Lukas Schepers über die Bilder Many Szejsteckis.
Die Gesteinsbereiche, Stollen und Flöze unter einer Ruhrgebietsstadt darzustellen ohne ein modernes 3D-Meßgerät für Geologie besessen zu haben, zeigt die einmalige Genialität des Künstlers Many Szejstecki.
Die Bilder sind exakt ohne GPS berechnet. Das gab es zu dem Zeitpunkt auch noch gar nicht. Er hat mit den Markscheidern zusammen gearbeitet. Im Markscheidearchiven wurde über Jahrhunderte jeder Millimeter Unter Tage dokumentiert. Es wurde nicht einfach wahllos in die Erde gebohrt. Es musste exakt so abgeteuft werden, damit der Abbau von Kohle sofort an Ort und Stelle geschehen konnte. Es ist ja auch eine Geldfrage gewesen. Nur ein paar Meter daneben abgeteuft, war ein Schacht unrentabel. Als gelernter Reviersteiger konnte Many die Markscheidedokumente lesen und dreidimensional denken. Das verhalf ihm letztendlich zu den großartigen Bildern.
Als Laie kann man sich das nicht vorstellen, wie der Gedanke zur künstlerischen Verarbeitung kam. Allein in Gelsenkirchen haben ca 50000 Menschen unter Tage gearbeitet. Das künstlerisch zu erfassen und darzustellen ist einmalig!
Seine Bilder wurden bis nach Nottingham in Großbritannien, ins Deutsche Museum in München und in die Schweiz zu Einzelausstellung gebracht. Wenn es um Bergbau ging, war Many der künstlerische Ansprechpartner.
Zu seinem 77 . Geburtstag schrieb Many für seine Familie eine Autobiographie. Lukas wird sie irgendwann für die Allgemeinheit zugänglich machen. Zur Zeit stellen sie eine Projektbroschüre mit dem Thema „Das Panorama des Ruhrgebiets“.
Austellungen werden weiter vorbereitet, wie 2023 in Oberhausen. In ganz Deutschland haben sie Werke wiedergefunden, zuletzt in Mainz. Die älteste gefundene Zeichnung stammt aus dem Jahr 1956.
Rolands Vater wäre stolz, was aus der Werkstatt geworden ist. Er war bekannt und beliebt bei den Gelsenkirchenern. Für die Nachlassverwaltung hat Many gebührende Personen gefunden. Sein Sohn Roland ist der Organisator und Netzwerker, während Lukas eher am Schreibtisch sitzt, alles gefundene verarbeitet, schreibt und Vorträge hält. Ihre jeweiligen Ideen ergänzen sich.
Der Kreis schließt sich, denn während wir im Podcast über Many sprachen, spürte ich sein damaliges Wirken in den Räumlichkeiten.
Möge er lange in den Gedächtnissen aller sein als künstlerischer Chronist der lebendigen Bergwelt des Ruhrgebiets!
Dafür werden die Nachlassverwalter Lukas Schepers und Roland Szejstecki in Zukunft sorgen mit einem Konzept für eine Dauerausstellung, der Veröffentlichung einer Biographie und dem Zusammentragen seines kompletten Werks.
Ich hoffe mit meinem Blogbeitrag und Podcast auch Menschen für Many Szejstecki Kunst zu begeistern, die sich bisher weniger dafür interessieren. Das Fotomaterial von Roland macht vielleicht so manchen Neugierig mehr über Many zu erfahren.
Möge er in Frieden ruhen! Seine Anhänger und Anhängerinnen ruhen nicht eher bis es zu einer Dauerausstellung gekommen ist.
Ich hoffe, dass die Stadt Gelsenkirchen, Herten und auch der Regionalverband Ruhr und einige Sponsoren Interesse haben an dem Projekt der Dauerausstellung von Many Szejsteckis Kunst die weltweite Beachtung haben sollte und haben wird!
Glück auf im wahrsten Sinne des Wortes
Links
Manfred Szejstecki – Wikipedia
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www.gelsenkirchen.de – Manfred Szejstecki
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Manfred Szejstecki – Gelsenkirchener Geschichten Wiki (gelsenkirchener-geschichten.de)
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www.gelsenkirchen.de – Walk of Fame
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dersalon.ruhr e.V.
Scherlebeckerstr. 399
45701 Herten
info@dersalon.ruhr
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TREMONIACS (@tremoniacs.fbx) • Instagram-Fotos und -Videos
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Nachlass Many Szejstecki – werkstatt (werkstatt-ev.de)
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Roland Szejstecki (@nachlass.many.szejstecki) • Instagram-Fotos und -Videos
Wer weitere Fragen zur Kunst von Many Szejstecki hat, kann sich direkt an Roland Szejstecki und Lukas Schepers wenden:
Roland Szejstecki
0178 2384447
szejsteckiroland@gmail.com
Lukas Schepers
0178 2819046
Lukas.schepers@googlemail.com
Das Projekt wird fortgeführt: Das Panorama des Ruhrgebiets
https://www.werkstatt-ev.de/wp-content/uploads/2024/09/Panorama-des-Ruhrgebiets.pdf
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Zum Ausstellungskonzept:
Many Szejstecki: „Die Zeche hat mich geprägt“ – Ein Ausstellungskonzept für die Neue Zeche Westerholt
https://www.werkstatt-ev.de/wp-content/uploads/2022/09/Flyer_Many-Westerholt.jpg
https://www.werkstatt-ev.de/wp-content/uploads/2022/09/Flyer_Many-Westerholt2.jpg
Hier befinden sich jeweils Panoramabilder von Many:
Deutsches Bergbaumuseum Bochum
Museum der Stadt Gladbeck (im Eingangsbereich)
U Bahn Station Trinenkamp Gelsenkirchen Linie 301
Buch Stillstand Corona – Krise in Buer von Jürgen Nobel
Fotos von (C) Roland Szejstecki – Vielen Dank für das Bildmaterial!
Wer nochmal in das Video mit den Interviews schauen möchte von der Extraschicht 2023:
Oder das Video zur Eröffnung der Ehrensteine auf dem Walk of Fame-Boulevard in Gelsenkirchen-Buer:
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